ICH WAR IN DER MONDRAKETENBAR

– Auszüge –

Collagen von Frank Milautzcki mit dezenten Elementen von Jürgen Völkert-Marten (2003)

in der Online Version angereichert

mit Gedichten von Friedrich Wilhelm Wagner (1892-1931)

aus seinem Band „Jungfrauen platzen männertoll“ von 1920

In jeder Nacht

In jeder Nacht
Im kalten Monde
Weint ein Tier.

Das Nachthorn klagt
Am Saum der Wälder
Letztes Lied.

Ein Dunkles rinnt
Hinab das Leben
Stumm ins Grab.

Ballon

Ein Ballon bewegt sich leise.
Menschenhälse strecken sich.
Tramways stürzen aus dem Gleise.
Droschkengäule töten sich.

Auf den Dächern tanzen Greise.
Jungfraun platzen männertoll.
Ein Ballon bewegt sich leise,
Lächelnd und sehr würdevoll.

Kleine Stadt

Die Stadt liegt klein
Und grau in grauem Grunde.

In einer schwülen Abenddämmerstunde,
Wenn alles schwiege, auch die Hunde –
Dann könnt es sein:
Ein lautes Wort aus eines Menschen Munde –
Und Alles stürzte ein.

Idyll

In einer Kneipe. Sonntags. Auf dem Land.
Vier Frauen rund um einen Tisch.
Sie waren nicht mehr jung und frisch.
Und eine hatte eine verkrüppelte Hand.

Sie tranken Bier. Und plauderten. Eintönig.
Wobei sie mit den Köpfen nickten.
Und treu sich in die Augen blickten.
Und ihre Busen bebten schon ein wenig.

Bald machten Tränen ihre Augen naß.
Mit heißen Händen schlugen sie die Brüste.
Sie schwelgten wie im Taumel süßer Lüste.
Und kreischten gell. Und wußten selbst nicht was.

Vor dem Gewitter

Wolken rund und regenreif
Lasten auf der Stadt.
Ein begoßner Pudel – mit dem Schweif
Wedelnd – ist satt.

Leise fällt aus matter Hand
Totgeboren eine Tat.
Bebend eine Stimme bat –
Blitze spalten Luft und Land.

Sommertag

Die Sommersonne foltert fürchterlich
Den lahmen Leib. Kein Wind bewegt die Schwüle.
Der Asphalt stinkt. Es faulen die Gefühle.
Ein Droschkengaul verreckt am Sonnenstich.

Lustmörder lauern. Haften hart und heiß
Ist eine Mädchenhand und macht ermatten.
Die kleinen huren blühen blaß. Im Schatten
Steht statuenstarr ein blinder Bettelgreis.

Und von des Lebens fadem Einerlei
Gelangweilt döst auf schattigem Balkone
Und lauscht dem Lärm entfernter Grammophone
Ein fetter, fauler Papagei.

Episode

Auf stiller Promenade –
Die Stadt wird fern und grau –
Lustwandelnd geht die grade
Noch sonneweiße Frau.

Ein Reiter, rauh in Rüsten,
Reitet vorbei ins Land.
Die Frau hebt zu den Brüsten
Hastig hoch die Hand.

In stiller Sommernacht

Von Weiberblicken geil begriffen.
Ein Turnverein. Frisch, fröhlich, fromm und frei.
In stiller Sommernacht. Es hat gepfiffen –
Das war die Polizei.
Die fahndet auf Verbrecher.
Der dicke Mond beschmiert die Häuserdächer.

Im Café

Die Nacht ist langsam vorgeschritten.
Ein Gast klebt noch an meinem Tisch.
Auf einmal, in mein Glas geglitten:
Er schwimmt im Absinthe – dick, ein Fisch.

Bestaunend die Metamorphose,
Ich brech mir den Verstand entzwei.
In meiner Kehle hängt, sehr lose,
Ein gellender Entsetzensschrei.

Café in deutscher Stadt

Ein Kellnerfrack. Der Demut feile Geste
Geduckt ein Dichter nachsinnt neuer Pose.
Der feiste Wirt, in sehr befleckter Hose,
Breit grinsend grüßt die vornehmeren Gäste.

Ein Pikkolo verstummt vor schmalen Frauen.
Er starrt verstört. Die Geigen gurren geil.
Bebauchte Bürger, stämmig, steif und steil,
Glotzblickig blöde, dösen und verdauen.

Kokotten lächeln – sündeseliger Segen.
Sehr provozierend wirken neben fetten
Profitvisagen protzig Epauletten,
Verwelkte Weiber wonnig zu bewegen.

Der Dichter döst. Das Dudeln macht ihn dumm.
Ein grauer Greis sielt sich in Dreckjournalen.
Ein rauher Ruf zerreißt den Raum: „Bezahlen!“
Der Dichter geht. Sehr langsam, träge, krumm.

Welt

Die leeren Lustlokale.
An einem Fenster klebt
Ein kleiner Pikkolo.
Ein schweres Schweigen schwebt
Und liegt gelähmt im Tale.
Am nebligen Kanale
Rasen Rufe roh.
Hunde, herrenlose,
Heulen ungehört.
Der Mond, die große
Greise Himmelsrose,
Stiert verstört.

Gegen Morgen

Schreckhaft schreiten Polizisten.
Steil und stumm. Und stehn versteint.
Lange bei den Abfallkisten,
Die der dicke Mond bescheint.

Leise bleichen die Laternen.
Immer auf demselben Striche,
Unter den erstarrten Sternen,
Humpeln Huren, kümmerliche.

Bummel

In Autos steif die stolzen Offiziere.
Die schmalen Mädchen schmachten augenweit.
Geil gelle Geigen. In Cafés. Bei Biere
Und Zoten macht das Bürgerpack sich breit.

O Lächeln lockend lieblicher Kokotten!
Ein Weib verwelkt. Ein Jüngling sehnt sich sehr.
Die Sonne hat den Himmel rot gesotten.
Ein Schweigen schwillt und macht das Dunkel schwer.

Abend

Der Tag verklang
In einem rosenen Ton.
Das Wasser sang
Sich müde. Es dämmert schon.

Im tiefen Park erwacht
Leis ein Grauen.
Fröstelnd vor der Nacht
Stehn steinerne Frauen.

Der müde Mond

Der müde Mond geht in den Schluchten schlafen.
Weit wilde Wölfe heulen heiß und hart.
Der gute Hirt hockt bei seinen Schafen.
Die Stunden stehn. Die Sterne sind erstarrt.

Kein Wind ist wach. Kein Ruf erregt die Räume.
Auf fernem Felde furchtbar tobt die Schlacht.
Ein Kind weh weint auf Trümmern trüber Träume.
Besoffne Bürger. Eine Hure lacht.

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